In der Reformationsgeschichtsschreibung wurde der Blick in den letzten Jahrzehnten zunehmend über gängige Schematismen der Konfessionsgrenzen hinweg auf Phänomene individualisierter religiöser Sensibilität gerichtet, die sich "weder Rom noch Genf" eindeutig zuordnen lassen und erst unter der Prämisse von religiöser Pluralität greifbar werden. Unter solchen Prämissen sind auch die vielfältigen religiösen Reunionsprojekten des 16. und frühen 17. Jahrhunderts zu untersuchen, die von religiös moderaten Kräften beider Lager entworfen wurden. Diese Phänomene werden in meinem Dissertationsprojekt an französischen Fallbeispielen untersucht. Insbesondere die Regierungszeit Heinrichs IV. gab Friedensansätzen ungeheuren Aufwind. Es geht in diesem Zusammenhang auch um eine differenzierte Vermessung der vertretenen Ideen sowie um ihre Zuordnung zu verschiedenen Gelehrtenkreisen, die in der Forschung immer noch häufig unter dem einheitlichen Etikett der "Politiques" firmieren. Exemplarisch wird dies an den Werken und der Korrespondenz von Jean Hotman (1552-1636) unternommen. Dieser stand in der Forschung bisher - obwohl an seiner überragenden Bedeutung für die Initiativen zur Stiftung religiösen Friedens kein Zweifel herrschen kann - meist im Schatten seines Vaters François Hotman. Dies mag nicht zuletzt daran liegen, dass Jean Hotman hauptsächlich als Sammler und Herausgeber anderer Autoren bekannt wurde, statt mit eigenen Werken groß in Erscheinung zu treten. Allerdings schmälerte dies keineswegs seinen Einfluss auf die tagespolitischen Geschehnisse, da solche Kompilationen oft substantiell auf die Weltbilder und Argumentationsmuster der Zeitgenossen wirken konnten. Bibliographien, wie der von Hotman 1607 verfasste Syllabus (weitere Ausgaben 1628, 1629), sind deshalb für den Reunionsdiskurs des 16. und frühen 17. Jahrhunderts von höchstem Erkenntnisinteresse. Die internationale Ausrichtung dieser Textsammlung bietet auf der einen Seite die Möglichkeit, den Unions- und Toleranzdiskurs in Frankreich in seine prägenden europäischen Kontexte einzuordnen, und ermöglicht auf der anderen Seite, Verbindungslinien aufzuzeigen, welche die frühen Texte der Reformation mit solchen des 17. Jahrhunderts verbinden. Vielfach wird hierbei deutlich, dass verschiedene Denkansätze über die Regierungszeit Heinrichs IV. hinaus ihre Aktualität behielten und Zäsuren wie "1598" und "1610" hinterfragt werden müssen.

Jean Hotman (1552-1636)- Irenik im Spannungsfeld von späthumanistischer Gelehrsamkeit, Theologie und Religionspolitik in Frankreich um 1600 / Garloff, Mona. - (2013), pp. 1-358.

Jean Hotman (1552-1636)- Irenik im Spannungsfeld von späthumanistischer Gelehrsamkeit, Theologie und Religionspolitik in Frankreich um 1600

Garloff, Mona
2013-01-01

Abstract

In der Reformationsgeschichtsschreibung wurde der Blick in den letzten Jahrzehnten zunehmend über gängige Schematismen der Konfessionsgrenzen hinweg auf Phänomene individualisierter religiöser Sensibilität gerichtet, die sich "weder Rom noch Genf" eindeutig zuordnen lassen und erst unter der Prämisse von religiöser Pluralität greifbar werden. Unter solchen Prämissen sind auch die vielfältigen religiösen Reunionsprojekten des 16. und frühen 17. Jahrhunderts zu untersuchen, die von religiös moderaten Kräften beider Lager entworfen wurden. Diese Phänomene werden in meinem Dissertationsprojekt an französischen Fallbeispielen untersucht. Insbesondere die Regierungszeit Heinrichs IV. gab Friedensansätzen ungeheuren Aufwind. Es geht in diesem Zusammenhang auch um eine differenzierte Vermessung der vertretenen Ideen sowie um ihre Zuordnung zu verschiedenen Gelehrtenkreisen, die in der Forschung immer noch häufig unter dem einheitlichen Etikett der "Politiques" firmieren. Exemplarisch wird dies an den Werken und der Korrespondenz von Jean Hotman (1552-1636) unternommen. Dieser stand in der Forschung bisher - obwohl an seiner überragenden Bedeutung für die Initiativen zur Stiftung religiösen Friedens kein Zweifel herrschen kann - meist im Schatten seines Vaters François Hotman. Dies mag nicht zuletzt daran liegen, dass Jean Hotman hauptsächlich als Sammler und Herausgeber anderer Autoren bekannt wurde, statt mit eigenen Werken groß in Erscheinung zu treten. Allerdings schmälerte dies keineswegs seinen Einfluss auf die tagespolitischen Geschehnisse, da solche Kompilationen oft substantiell auf die Weltbilder und Argumentationsmuster der Zeitgenossen wirken konnten. Bibliographien, wie der von Hotman 1607 verfasste Syllabus (weitere Ausgaben 1628, 1629), sind deshalb für den Reunionsdiskurs des 16. und frühen 17. Jahrhunderts von höchstem Erkenntnisinteresse. Die internationale Ausrichtung dieser Textsammlung bietet auf der einen Seite die Möglichkeit, den Unions- und Toleranzdiskurs in Frankreich in seine prägenden europäischen Kontexte einzuordnen, und ermöglicht auf der anderen Seite, Verbindungslinien aufzuzeigen, welche die frühen Texte der Reformation mit solchen des 17. Jahrhunderts verbinden. Vielfach wird hierbei deutlich, dass verschiedene Denkansätze über die Regierungszeit Heinrichs IV. hinaus ihre Aktualität behielten und Zäsuren wie "1598" und "1610" hinterfragt werden müssen.
2013
XXIV
2012-2013
Lettere e filosofia (29/10/12-)
Humanities
Niccoli , Ottavia
Schorn-Schütte, Luise
no
Tedesco
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